Das Atelier im Jahr 2007

Der Handabrieb bleibt auch in diesem Jahr Aufgabe. Eine alte Dame, einst Lehrerin für Kunst und Biologie, nimmt Kontakt auf. Sie hatte während der frühen Nachkriegsjahre studiert und seinerzeit Holzstiche angefertigt, von denen sie wegen des Papiermangels nur jeweils die Exemplare zum Abgeben gedruckt hatte, aber keine für sich selbst. Nun möchte sie die Motive in Auflage drucken, kann das aber aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht mehr bewerkstelligen. Viele der Druckstöcke sind uneben, haben sich über die Jahrzehnte verworfen und sind zu dick, als dass sie in einer meiner Pressen gedruckt werden könnten. Also müssen einige, vor allem die großformatigen, mühsam mit dem Falzbein im Handabrieb gedruckt werden – in Auflage.

Künstlerbuch: „Das Nußzweiglein“ mit 5 Linolätzungen

Ein ganz anderes Druckverfahren reizt mich schon lange. Schon während des Studiums hatte mich das Hantieren mit Bechergläsern, Glaskolben und Pipetten im Chemielabor fasziniert, ganz gleich ob für Analysen oder Synthesen von Substanzen. Ein Verfahren wie die Linolätzung, dem der Hauch der Alchemie anhaftet, war genau mein Ding. Im letzten Jahr hatte ich erste Versuche damit gemacht für die Graphikserie „Als es noch Götter gab“. Dieses Jahr entstehen Linolätzungen als Illustrationen für ein Künstlerbuch. Die Motive werden in einem Sepiaton gedruckt. Das Werk ist ein Märchen aus den Sammlungen von Ludwig Bechstein: „Das Nußzweiglein“. Als besonderes Extra wird jedes Exemplar zwei Blätter von unserem Nussbaum enthalten, nach allen Regeln der Botanik herbarisiert und dann eingebettet in Seidenpapier.

Das Spannende an der Linolätzung ist, dass sie sich nicht vollständig steuern lässt. Die Konzentration des Ätzmittels, die Zusammensetzung des Linoleums, aber vor allem sein Alter wirken sich auf den Verlauf der Ätzung aus. Fünf Motive entwerfe ich für das Buch, darunter ein Portrait von Ludwig Bechstein. Das Papier ist ein wellig geripptes Bütten aus der Papierfabrik Zerkall in dem Farbton antik-jute. Die Typographie ist eine Hommage an den Handsatz mit seinem ganz speziellen Maßsystem. Für den Text werden verschiedene Schriften eingesetzt, alle im Schriftgrad 20 Punkt. Obwohl auf einem 20 p-Kegel nur begrenzt Raum zur Verfügung steht, ist es den Schriftgestaltern doch immer wieder gelungen Schriften von ganz eigenem Charakter und mit völlig unterschiedlichen Wirkungen zu schaffen. Die Bücher sind in Stoffe gebunden, die Vorzugsausgabe in einen afrikanischen Handbatikstoff, die Normalausgabe in einen Quilt-Stoff mit Bärendessin. Jedes Exemplar liegt in einem feinen Holzkästchen mit Schiebedeckel. Die Linolätzung wird ein fester Bestandteil meiner künstlerischen Arbeit werden.

Carrbridge I, Linolätzung

Vor genau 125 Jahren wurde Victor Hammer (1882-1967) geboren. Er hat die Schrift entworfen, die als erste ins Atelier gekommen ist: die Hammer-Unziale. Als Hommage an den Schriftgestalter, entsteht der Einblattdruck „Der Preis Gottes aus den Werken der Schöpfung“ (Psalm 104). Victor Hammer, selbst Österreicher, hat nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland Europa verlassen und ist in die USA emigriert.

Noch im Winter bei Schnee und Eis besucht die australische Künstlerin Marianne Midelburg Freunde in der Region. Ich bin Mitglied in einem örtlichen Kunstverein und frage die Kuratorin, ob wir kurzfristig eine Ausstellung hinkriegen können. Der Verein nutzt eine alte Wassermühle für seine Ausstellungen, aber den Winter über haben wir eigentlich keine Saison für Ausstellungen. In diesem speziellen Fall entscheiden, wir die Heizung aufzudrehen und zu improvisieren. Ich helfe Marianne, eine schöne Auswahl ihrer Werke zu präsentieren an diesem Ort mit seinem ganz speziellen Charme. Daraus wird sich eine lange Freundschaft zwischen Marianne und mir entwickeln – und ein gemeinsames Buchprojekt in der nicht ganz so fernen Zukunft.

Marianne Midelburg mit ihrem Wandbehang „Bläsiberg“

 

Was sonst noch geschah:

ch werde als Persönliches Mitglied beim BK – Bundesverband Kunsthandwerk / Berufsverband Handwerk Kunst Design e. V. – aufgenommen.

Teilnahme am Kurs „Chinesische Kalligraphie“ bei Man Hou-Kolb

Erste Versuche zum Stempelschneiden in Speckstein

Teilnahme an der 19. Minipressenmesse in Mainz

Atelierausstellung „Ein Buch entsteht ganz von Hand: Das Nußzweiglein“

Eine klitzekleine Tiegeldruckpresse kommt ins Atelier und bringt etwas Kurioses mit: Umkehrschriften

Interview mit Radio Fips, dem Göppinger Lokalsender

Im Jahr 2007 werden publiziert:

„Carrbridge I“ Linolätzung

Psalm 104, Einblattdruck mit Linolschnitt

„Hundkeks“, Rezept für Hundekekse, Beitrag zum Drucktopf

„Das Nußzweiglein“ Künstlerbuch mit 5 Linolätzungen

Kontakt

Mainzer Minipressenmesse

Essay zu Victor Hammer

BK Bundesverband Kunsthandwerk

Minipressenmesse, Mainz
Auftragsarbeit: Holzstich im Handabrieb gedruckt in Auflage

Wird fortgesetzt – nächste Folge am 25. April 2024

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert