Der Vielfalt ein Zuhause geben: Die Echte Mispel

In der Reihe „Der Vielfalt ein Zuhause geben!“ werden in lockerer Folge kleine Bücher und Drucke erscheinen, jedes davon ein originalgraphisches Werk in limitierter Auflage. Jeder Band der Buchreihe ist das Portrait einer Pflanzen- oder Tierart und erzählt, wie für die Arten im eigenen Garten ein dauerhaftes Zuhause geschaffen werden kann. Mitunter haben die Bändchen auch kleine Beigaben, etwa Etiketten für Eingemachtes oder ein Tütchen Saatgut zum Ausprobieren – das Saatgut kommt dann aus unserem Garten in Oppenwehe.

Als wir hierher gezogen sind war einer der ersten Bäume, die wir gepflanzt haben, eine Mispel. Meiner ersten Mispel bin ich in den 1980-ern begegnet auf einer weiten Wiese beim Steinhuder Meer. Der kleine Baum hatte es mir sofort angetan. Für mich sah er aus wie ein weiser, alter Zauberer, gebeugt vom Alter und der Suche nach einem magischen Kraut.
Zwischenzeitlich haben wir in einer Baumschule drei Bäume der Wildform entdeckt und zu uns genommen. Sie haben dornige Äste und ihre Früchte sind kleiner. Sie wachsen nun neben den beiden Kulturformen, die große Früchte machen – und keine Dornen entwickeln.

Mispelbäume haben ihre ganz eigene Wuchsform. Die Krone wird eher breit als hoch. Sie blühen Mitte Mai. Je nach Region können Spätfröste der Blüte schaden, in milden Gegenden ist das nicht zu befürchten. Die Blüten sind groß und weiß, mit fünf Blütenblättern wie bei allen Rosengewächsen. Die Mispel ist ein Tiefwurzler und kann mit Trockenphasen gut umgehen. Sie ist robust und muss nicht geschnitten werden. Die Früchte reifen spät im Herbst. Sie werden dann ganz weich und können zu köstlichem Gelee verarbeitet werden – sie enthalten viel Pektin.

Mispeln sind ein altes Obstgehölz und waren auf Höfen weit verbreitet. Sie gerieten dann in Vergessenheit. Heutzutage werden sie wieder geschätzt für die Artenvielfalt und als Bäume, die auch Trockenphasen vertragen.

Große Frucht und Herbstfärbung bei der Sorte „Nottingham“

Die Illustrationen
Von der Frucht wurde ein zweifarbiger Linolschnitt angefertigt. Entworfen und geschnitten habe ich selbst. Auf dem Titel ist die Kontur gedruckt, innen erscheint der komplette Druck in zwei Farben.

Der Text
Die Kapitel beschreiben die Mispel als Teil der Landschaft, als wertvolles Mitglied des Diversity-Gartens und in der Küche. Und es gibt ein Rezept für feines Mispel-Gelee.
Der Umschlag trägt auf der Einklappseite eine Weisheit Liä Dsi, einem Philosophen und Magier, der von 480 bis 400 v. Chr. lebte.

Die Typographie
Da die Mispel ein sehr altes Obstgehölz ist fiel meine Wahl für die Schrift auf die Trajanus. Das Setzregal, in dem sie liegt, ist eines der ältesten hier im Atelier. Es ist ziemlich ramponiert. Die Schrift selbst hat ganz offensichtlich hart gearbeitet. Sie muss die Brotschrift in ihrer früheren Druckerei gewesen sein. Produziert wurde sie bei der Schriftgießerei Stempel, gestaltet hat sie Warren Chapell (1904-1991), der in den frühen 1930ern bei Rudolf Koch gelernt hatte. Die Schrift enthält einige Schmuckelemente, darunter eines, das dem Aldusblatt ähnelt.
Das Motto ist gesetzt aus der Mistral, 1954 von Roger Excoffon gestaltet. Der Aphorismus ist aus der Trime Script von Georg Trump. Mehr über Bleischriften findet sich hier: Ein Platz für Bleilettern

Das Material
Das Papier sollte eines sein, bei dessen Herstellung der Gedanke des schonenden Umgangs mit Ressourcen eingeflossen ist. Damit fiel die Wahl auf Lönneberga Grön der schwedischen Papierfabrik in Lessebo. Das Papier ist aus recyceltem Fasermaterial hergestellt und zu 100% mit grüner Energie produziert.
Für den Umschlag wurde Tintoretto melange 250 g/qm von Fedrigoni eingesetzt, ein Papier das schon sehr lange im Regal liegt. Als die Qualität neu auf den Markt kam, wurde sie mit feinen Seidenfasereinschlüssen hergestellt. Die verwendete Farbe heißt merino, ein zartes Grün.

Die Extras
Als Zugabe enthält jeder Band ein Zellophantütchen mit zwei Etiketten, je eines für Gelee und entweder Marmelade oder Konfitüre. Die Etiketten sind im Buchdruck und Bleisatz gedruckt auf gummierte Papiere. Diese Etiketten lassen sich später durch Anfeuchten rückstandsfrei von Gläsern entfernen.

So können die einmal leer gegessenen Gläser problemlos wieder für frisch Eingemachtes verwendet werden. Die Gummierung wird aus Gummi arabicum hergestellt, einer Absonderung bestimmter Akazienbäume. Die Substanz wird auch verwendet für die Herstellung von Lebensmitteln, Medikamenten und Farben. Die Etiketten kleben auf vielen Oberflächen. Von Gläsern lassen sie sich rückstandsfrei ablösen einfach durch Anfeuchten. Die Etiketten sind dann Altpapier. Keine Folienreste. Kein Plastik. Keine hartnäckigen Kleberrückstände. Die Etiketten auf gummierten Papieren sind auch bogenweise erhältlich. Folgende Bogen sind derzeit im Sortiment: Marmelade + Konfitüre: Papier in Orange oder Rot Gelee: Papier in Rosa Saft/Likör/Schluck/Sirup: Papier in Blau Chutney + Ketchup: Papier in Beige, Druck in Gelb oder Braun Senf + Essig: Papier in Beige Weihnachten: Papier in Grün

Und hier zusammengefasst die nackten Fakten zum Buch:

Die Echte Mispel – Band 3 aus der Reihe „Der Vielfalt ein Zuhause geben!“
Format: ca. 15 x 25 cm
Umschlag: 8-seitig, 4 Seiten bedruckt, Tintoretto melange 250g merino
Innenteil: 8 Seiten, Lönneberga Grön 150g weiß
Illustrationen: Linolschnitt, von 1 Platte für den Titel, von 2 Platten im Innenteil
Text: Annette C. Dißlin, Handsatz aus Bleischriften, deutsch
Schriften: Trajanus, Mistral für das Motto, TimeScript für den Aphorismus
Druck: Buchdruck auf einer handbetriebenen Grafix-Andruckpresse
indung: Rückenstichheftung mit grünem Leinenzwirn
Idee, Gestaltung, Linoldruck, Text, Handsatz, Druck und Binden: Annette C. Dißlin
Auflage: 45 nummerierte und signierte Exemplare
Erscheinungsjahr: 2023 bei The Fork and Broom Press, Oppenwehe.
Preis: Euro 20,00

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