Wie Stoffe zu Bucheinbänden werden
In meiner Kindheit sind hie und da kleine Kästchen, Behältnisse aufgetaucht, die eine besondere Faszination auf mich hatten. Sie enthielten zarte Fächer mit Tuschemalerei oder hölzerne Ess-Stäbchen oder kleine, aus Jade geschnitzte Tierfiguren.
Es waren Kästchen aus Fernost, vielleicht aus China oder auch Japan, bezogen mit schimmerndem Brokat, die Deckel oft auch gepolstert, manche sogar mit kleinen Knebelverschlüssen aus Elfenbein. Die Behältnisse selbst waren aus Karton gefertigt und dann mit dem Stoff „bekleidet“.
Im asiatischen Raum ist das Verwenden von Stoffen als Einbandmaterial eine traditionelle Methode und Teil des handwerklichen Buchbindens. Ich habe hierzulande Buchbinder getroffen, die sich daran erinnerten, dass sie das in ihrer Lehrzeit machen mussten und daraufhin beschlossen haben, das nie wieder anzufassen, sondern Bucheinbandgewebe von der Rolle zu verwenden. Ausschließlich. Sie fanden, Einbandgewebe selbst herzustellen sei schlicht zu mühsam und frustrierend.
Aus Fäden Gewebtes ist durch seine Struktur tatsächlich nicht dicht. Für einen Bucheinband muss das Gewebe auf die Deckelpappen aufgeklebt werden. Beim Anleimen und Aufkleben würde der Klebstoff durch die kleinen Zwischenräume zwischen den Fäden dringen und außen als unschöne Flecken sichtbar sein. Das ist der Grund, weshalb auf der Rückseite eine Papierbahn als Leimsperre aufgebracht werden muss, bevor das Gewebte als Einband- oder Bezugsmaterial für Bücher oder Kästen verwendet werden kann. Für gewöhnliches Bucheinbandgewebe werden Gewebebahnen maschinell mit einer Rückseite, meist aus Papier versehen. Das gebrauchsfertige Gewebe wird von großen Rollen als Meterware verkauft.
Was eine Maschine machen kann, hat früher mal jemand von Hand gemacht.
Es gibt freilich dabei einiges zu beachten. Papier, sofern es nicht handgeschöpft ist, und gewebte Stoffe haben eine innere Richtung. Es macht einen Unterschied, ob das Material quer oder längs verarbeitet wird. Werden beide Materialien aufeinander geklebt, dann müssen die Richtungen von beiden übereinstimmen – sonst werden sie für den Rest ihrer Tage miteinander streiten. Beide Materialien müssen auch parallel aufeinander zu liegen kommen – und keiner von beiden darf Falten werfen.
Als Rückseite wird sehr dünnes Japanpapier eingesetzt. Da asiatischen Papiere traditionell aus langfaserigen Pflanzenmaterialien gefertigt werden, sind auch die dünnen Qualitäten in nassem Zustand reißfest. Dünn muss das Papier sein, damit sich der fertige Einbandstoff gut in Fälze und um Kanten legen lässt.
Aufgeklebt wird das Japanpapier mit Kleister. Dieser wird aus Wasser und reiner Stärke gekocht, ist also ein rein pflanzliches Material. Das Sandwich aus Stoff und aufkaschiertem Japanpapier wird auf ein Spannbrett gezogen und darf darauf falten- und knitterfrei trocknen. Das Verfahren verlangt wie jedes Handwerk Übung, angemessene Sorgfalt und, zumindest anfangs, hinreichend Frustrationstoleranz, bis dann die Arbeitsroutine irgendwann greift.
Über die Jahre habe ich Unmengen von Stärke zu Kleister gekocht und hunderte Meter der unterschiedlichsten Stoffe in Einbandmaterial verwandelt. Nicht alle Stoffe machen die Prozedur mit. Kunstfasern sind meist unbrauchbar dafür, allerdings ist auch schottischer Tartanstoff aus reiner Wolle unkooperativ.
Aber von Viskose-Chiffon über Wildseide bis hin zu Kaffeesäcken aus Rupfen ist unter meinen Händen so manches zum Einband geworden, darunter auch Kordsamt, englisches Blumenleinen zarte, italienische Jacquards und afrikanische Handbatikstoffe.
Zum Lesen und Lernen:
Kojiro Ikegami „Japanese Bookbinding“ Instructions from a Master Craftsman. Weatherhill. 1998. New York/Tokyo
Kontakt
Handbedruckte und Handbatikstoffe aus Afrika gibt es bei Twiga-Design
Wird fortgesetzt – nächste Folge am 9. April 2024