Von Strohpappe und Spinnenpergamin

Papier ist ein außergewöhnlich vielseitiges Material. Hergestellt wird es klassischerweise aus Pflanzenfasern. Von unseren heimischen Pflanzen eignen sich Lein, Hanf, Brennesseln und Zellulose aus Holzschliff. Auch aus Spargelschalen lässt sich Papier herstellen und aus Stroh. Anderswo auf der Welt werden andere Fasermaterialien verwendet. Das Prinzip bleibt sich gleich: die Fasern legen sich beim Schöpfvorgang aneinander und ergeben eine Matte, mal dicker, mal dünner. Die Oberfläche kann rau sein oder glatt. Der Bogen kann zart sein wie Chiffon oder steif wie ein Brett. In China kannte man die Papiererstellung schon vor 2000 Jahren. Bis die Papiermacherkunst sich in Europa etablieren konnte brauchte es seine Zeit. Erst seit rund 700 Jahren gibt es überall in Europa Papiermühlen – ursprünglich angetrieben von Wasser über große Mühlräder.

Chinesische Kalligraphie auf Papier aus Spargelschalen

Was wäre wohl geworden aus dem Trio von beweglichen Lettern, Druckerschwärze und Druckpresse, das Johannes Gutenberg um 1450 entwickelt hatte, hätte nicht just kurz zuvor ein ganz neues, für den Buchdruck so ideal geeignetes Material die Bühne in Europa betreten: das Papier.

Die Papiermühle in Homburg, Markt Triefenstein, wird seit Generationen von der Familie Follmer betrieben. Heute leitet sie Johannes Follmer. Auch diese Papiermühle wird über ein großes Mühlrad mit Wasser angetrieben. Im frühen 19. Jahrhundert ist das ganze Gebäude umgezogen.

 

Das Fachwerkhaus wurde zerlegt und an einem anderen Standort, wo die Wasserqualität besser war für die Papierherstellung, wieder aufgebaut. Die Papiermühle ist heute ein Museum, ein Platz des Kulturerbes. Johannes schöpft Papier auf Maß und auf Wunsch auch mit Wasserzeichen. 2003 hat er für mich Papier nach meinem Wünschen und mit dem Homburger Wasserzeichen geschöpft. Ich habe das Papier verwendet, um meine Holzschnitte mit Motiven meiner Reisen nach Italien, Polen und England darauf zu drucken. Auch der Farbholzschnitt „Minerva“ ist auf Bütten von Johannes Follmer gedruckt

„Die Bank“, Holzschnitt aus der Reihe „Meine Reise nach Polen“, gedruckt auf handgeschöpftem Papier von Johannes Follmer

Die Vielfalt von Papieren ist beeindruckend. Und es ist eben nicht einfach ein passiver Bedruckstoff, der fügsam die Farbe auf sich nimmt. Das Papier mit all seinen Eigenschaften nimmt Teil am künstlerischen Prozess, bringt sich und seinen Charakter mit ein und macht sich im Ergebnis bemerkbar. Jedes fühlt sich anders an, verhält sich beim Bedrucken, beim Falzen und Buchbinden, und ganz besonders beim Einfärben oder bei Papierbatik anders. .

Holzschnitt „Frau in Schwarz“ auf asiatisches Senkwa-Papier

Ich habe mit vielen Papieren gearbeitet. Mit den zarten, dünnen, die in der Himalayaregion von Hand geschöpft werden. Auf solche Qualitäten sind die Holzschnitte „Frau in Schwarz“ und der grüne Drache gedruckt. Für den Holzschnitt „Auf dem Heimweg“ ist das handgeschöpfte Umbria aus der italienischen Papiermühle Fabriano verwendet. Diese Papiermühle war im 13. Jahrhundert das Herz der Papiermacherkunst in Europa.

Holzschnitt „Auf dem Heimweg“ auf handgeschöpftes Umbria-Papier von Fabriano

Ein maschinell hergestelltes Papier, das noch nahe im handgeschöpften ist, ist das Rundsiebbütten. Dazu gehören die Büttenapiere der Papiermühlen Zerkall und Hahnemühle, aber auch das Johannot-Bütten. Letzteres ist für die Holzschnitte im Mappenwerk „Lushin“ verwendet, die Mappe selbst ist aus Hahnemühlebütten gefertigt.

Lushin, Farbholzschnitt von 2 Platten, gedruckt auf Johannot-Bütten

Für etliche meiner Werke habe ich Büttenpapier aus der Papiermühle Zerkall verwendet, etliche davon mit dem schönen Löwen-Wasserzeichen. Leider wurde der Betrieb im Sommer 2021 von dem katastrophalen Hochwasser im Ahrtal getroffen. Seither ist die Büttenpapierherstellung eingestellt. Viele Papiermühlen wurden in den vergangen Jahrzehnten geschlossen. Eine ganze Reihe von Papierqualitäten, mit denen ich gerne gearbeitet habe, sind nicht mehr zu haben.

Für das Künstlerbuch „Earliest Spring“ sind zwei Hahnemühle-Qualitäten verwendet, die ich von einem Druckerkollegen übernehmen durfte, der altershalber das Drucken aufgegeben hat. Er hatte Radierungen gedruckt und daher dickere Papiere im Bestand.

Künstlerbuch „Three Sonnets“, Schutzumschlag gedruckt aus transparentem Scotia-Papier

Aber auch die Maschinenpapiere haben ihren Reiz. Aus dem Hause Arjo Wiggins gab es eine Reihe von Papieren unter dem Namen Rives, die mit unterschiedlich geprägten Oberflächen ausgestattet waren. Die Sorte Basane habe ich für den Manarah-Band über den Wind eingesetzt. Aus dem gleichen Haus kam die Reihe der Conqueror-Papiere, von denen die Qualität „Contour“ im aktuellen Manarah-Band über Menschlichkeit verwendet ist.

Mein erstes Künstlerbuch, „Der kleine Niak“, ist auf Poseidon von Artoz gedruckt, ein Papier mit einem sehr ungewöhnlichen Muster aus Wasserlinien. In dem Künstlerbuch „away“ sind SavileRow Pinstripe, ein Papier mit Nadelstreifenmuster, und graues Gmund Bee kombiniert.

„Woods in Winter“, Künslerbuch mit Eisblumen-Pergaminpapier

Und immer wieder taucht Pergaminpapier auf in meinen Werken, als Spinnenprägung oder in der Variation „Eisblume“.

Pergamin ist ein Prinzesschen unter den Papieren und will mit viel Sorgfalt angefasst werden. Das Gegenstück dazu ist Strohpappe. Eine alte Qualität in der Farbe von schmutzigem Ocker, hergestellt aus Stroh, steif und eigensinnig, aber mit besonderem Reiz. Ich konnte einmal einen Rest übernehmen und habe das Material für die Reihe „Vessel“ verwendet, eine Serie von Linolätzungen, und für das Künstlerbuch „Meine Worte fallen wie Steine“.

Drucke auf Strohpappe

Für die 2023 ins Leben gerufene Reihe von Büchern unter dem Motto „Der Vielfalt ein Zuhause geben!“ habe ich mich für das Papier Lönneberga grön entschieden. Das ist ein Papier, das unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit entwickelt und produziert ist: aus Recyclingmaterial und mit grüner Energie, bei der Papierfabrik Lessobo in Schweden.

Künstlerbuch „Die Echte Mispel“, Innenseiten gedruckt auf Lönneberga grön

Ein ganz besonderes Papier ist kalibriertes Papier. Es ist ein technisches Papier, das auf eine definierte Dicke geschliffen wird. Gebraucht wird es, um einen exakten Aufzug auf dem Druckzylinder einer Druckpresse zu machen. Das ist gerade beim Drucken von Bleilettern entscheidend für ein gutes Druck-Ergebnis.

Musterfächer für kalibriertes Papier

Das korrekte Maß wird erreicht durch das, was beim Druckprozess auf dem Druckzylinder aufliegt. Kalibrierte Papiere gab es einst in Dicken von 0,015mm bis 0,5mm mit vielen Zwischenstufen. Jede hatte eine andere Farbe, und für jedes Bedruckpapier konnte der passende Aufzug zusammengestellt werden. Ich verdanke es Heiner Buser, dass ich zeitig genug von diesen Feinheiten erfahren habe. So konnte ich von den ganz dünnen kalibrierten Papieren noch etwas auf Lager legen, bevor auch deren Produktion eingestellt wurde.

Kontakt

Papiermühle Homburg

Kreatorsklub bei Römerturm

Zum Lesen

Werner Brennecke „Wie wir Papier machen“ Nora Handpresse, 1997 Düsseldorf

Wolfgang Walenski „Das PapierBuch“, Hg. Roland Golpon, Verlag Beruf+Schule, 1994, Itzehoe

Essay über Papier: „Kommt ein Esel zur Papiermühle

Wird fortgesetzt – nächste Folge am 15. April 2024

Wasserzeichen von der Papiermühle Fabriano in Italien

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