Kurt Tucholsky: Mir fehlt ein Wort

„Ich kann mich nicht mehr so richtig erinnern, wann und wie wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Es muss wohl in den 1980ern gewesen sein, als ich noch an der Uni studiert habe und er bereits seit über 50 Jahren tot war.“

Das ist die Angfangspassage eines Artikels den ich für Band 32 von „Matrix – Ein Review für Drucker und Bibliophile“ geschrieben habe. Band 32 erschien 2014, vier Jahre nachdem das Künstlerbuch fertiggestellt war, zu dem der Artikel geschrieben wurde: „Mir fehlt ein Wort“ – eine Hommage an Kurt Tucholsky, seine Texte, seinen meisterlichen Umgang mit der deutschen Sprache, sein Spielen mit Pseudonymen.

Matrix 32: Artikel über das Künstlerbuch zu Kurt Tucholsky

Kurt Tucholsky (1890-1935) war Journalist, Schriftsteller und Essayist in der Weimarer Republik. Sein Umgang mit der deutschen Sprache war herausragend. Er hat eine zweiten Weltkrieg kommen sehen. Er nahm mit aller Entschiedenheit Stellung gegen Hitlers Partei, und er konnte das äußerst kraftvoll und zielgerichtet, denn er war promovierter Jurist. Seine Schriften sind heute so aktuell und verstörend wie sie es in den 1920er und 1930er Jahren waren. Er konnte nachweisen, dass Sozialisten und Kommunisten vor Gericht sehr viel härtere Strafen zu erwarten hatten als Konservative und Faschisten. Er konnte aufzeigen, dass Netzwerke in der Wirtschaft, vor allem in der Waffenindustrie, ihre ganz eigene Einstellung zur Rentabilität vonKriegen haben. Da diese Unternehmen ihr Geld mit dem Verkauf von Waffen verdienten, sie naturgemäß keine Sympathien für Friedenszeiten hegten. Tucholsky wurde die deutsche Staatsbürgerschaft 1933 aberkannt. Zwei Jahre später starb er im Exil in Schweden. Man ging lange davon aus, dass er sich das Leben genommen hatte. Doch in den letzten Jahren Jahren wurde daneben vermutet, dass er möglicherweise versehentlich eine Überdosis Schlafmittel eingenommen haben könnte.

Einleger, gedruckt für Matrix 32

Das Künstlerbuch zu Kurt Tucholsky ist in einer Hinsicht sehr ungewöhnlich: es ist komplett aus Makulaturbogen gemacht: die Bogen wurden dazu bewusst fehlerhaft, also als Makulaturen gedruckt. Der Grund dafür ist rasch erklärt: Dem Künstlerbuch liegt ein Geschichte zugrunde, in der ein junger Drucker sich nach Feierabend Makulaturen aus der Abfallkiste mit nach Hause nimmt. Er sammelt Texte, die ihm gut gefallen, und heftet sie in drei thematische Mappen. Als er 1933 Deutschland überstürzt verlassen muss, bleiben die Mappen zurück und fallen den Nationalsozialisten in die Hände. Die Partei kann sie gut als Beweisstücke gebrauchen, sucht sie doch nach einer Möglichkeit, den allzu kritischen Journalisten Tucholsky loszuwerden. Die Mappen werden zu juristischen Akten, die als Beweise dienen, Tucholsky als Vaterlandsverräter abzustempeln und ihn auszubürgern.

Die Mappen sind in einer ganz speziellen Weise geheftet: in der Preußischen Archivheftung. Es ist eine historische Hefttechnik, die tatsächlich einst in Preußischen Archiven verwendet wurde. Sie lässt es zu, in eine Akte immer wieder neues Material einzuheften. Diese Heftweise hat sich als perfekt für dieses Projekt erwiesen, bei dem sich Sammelmappen in juristische Beweisakten verwandeln.

Preußische Archivheftung und Archivboxen

Künstlerbuch „Mir fehlt ein Wort“ – technische Angaben Mappe 1: „Die er kennt, sagt er du – Über den Umgang mit der deutschen Sprache im allgemeinen und dem Buch im besonderen“, 30 Texte im Buchdruck plus ein Schreibmaschinenmanuskript (a4) Mappe 2: „Aber das wäre dann keine Reklame für den nächsten Krieg – Über den Umgang mit Krieg & Frieden und dem Rest der Welt“ – 29 Texte im Buchdruck und ein Schreibmaschinenmanuskript (A4) Mappe Z: „Lass ihn in Ruhe – Über den Umgang mit Kunst und Künstlern“, 12 Texte im Buchdruck

Einer von Tucholskys Texten und das Schreibmaschinenmanuskript

Jede Mappe misst 29 x 61 cm. Preußische Archivheftung, Einband aus beigem Aktenkarton. Alle Text in Deutsch, Handsatz aus verschiedenen Bleischriften. Buchdruck auf verschiedenen Papierqualitäten, überwiegend Bütten. Die Mappen liegen in einer Wellpappeschachtel. Die Gesamtauflage ist aus 12 limitiert (von Mappe Z gibt es nur 6 Exemplare). Erschienen 2010, genau 75 Jahre nach Tucholskys Tod. Das Schreibmaschinenmanuskript erzählt die – fiktive – Geschichte des jungen Druckers in der Weimarer Republik. Unter die Texte Tucholsky gemischt sind Essays von 10 erfundenen Autoren, die versuchen, den großen Meister zu Wort kommen zu lassen zu Themen vom Anfang des 21. Jahrhunderts.
Die Exemplare 1 bis 6 sind die Vorzugsausgabe. Ein Archivkarton enthält dabei alle drei Mappen. Preis Euro 1.800,00 zzgl. Versand
Die Exemplare 7 bis 12 sind die Normalausgabe. Ein Archivkarton enthält entweder Mappe 1 oder Mappe 2. Preis Euro 750,00 zzgl. Versand
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Insert in Matrix 32

Auf meinem Essay blog finden sich zwei Posts, die sich mit dem Künstlerbuch zu Tucholsky befassen: Ein Essay von Juli 2014, als der Artikel in Matrix 32 erschienen ist, und ein weiterer vom Dezember 2012.

„Matrix – A Review for Printers and Bibliophiles“ ist eine Publikation der Whittington Press. Die Druckwerkstatt ist in einem ehemaligen Gartenhaus in Whittington, Gloucestershire, ca. 40 Meilen westlich von Oxford (UK) untergebracht. Sie wird betrieben von John und Rosalind Randle, die, wenn sie nicht drucken, in Leominster leben. Die Kontaktanschrift ist: The Whittington Press, Lower Marston Farm, nr. Risbury, Leominster, Herefordshire, HR6 0NJ