Wo roter Mohn tanzend blüht

Als ich 1984/85 als Auslandstudent in Großbritannien gelebt habe, habe ich die Tradition des „Remembrance Day“ zum ersten Mal erlebt. Es hat mich berührt, wie man hier mit den Folgen von Krieg umgeht und auch in welchem Maß dies geschieht. Diese Erfahrung hat mich beeindruckt und nachdenklich gemacht.

Viele Jahre später habe ich den Folksong „No Man’s Land“ von Eric Bogle gehört. Er erzählt von den zahllosen Soldaten, die schon als Teenager im Dienst während des Ersten Weltkrieges kämpften. Ich hatte das Gefühl, der Text des Liedes bringt eine tiefe Wahrheit zum Ausdruck. Mein Vater war selbst als junger Mann Soldat im Zweiten Weltkrieg und wurde schwer verwundet . Obwohl er überlebte, haben seine Erlebnisse, ihm schwere Narben zugefügt, physisch wie auch psychisch. Ich wollte Erics Text Gestalt geben in der Form eines Künstlerbuches. Ich habe mit Eric, der in Australien lebt, Kontakt aufgenommen, und er hat dankenswerter Weise zugestimmt, dass ich seinen Text verwenden darf. Also habe ich den Song ins Deutsche übertragen und ein Künstlerbuch daraus gemacht.

Den Text ist von Hand aus einer sehr altgedienten Trajanus gesetzt. Die Schrift war in der Druckerei, in der sie früher war, viel verwendet worden; sie war ersichtlich abgenutzt. Ich habe diese Schrift ganz bewusst gewählt, weil die Lettern so stark gezeichnet sind von ihrem harten Dienst und viele auch beschädigt sind. Hier habe ich eine Verbindung gesehen mit dem, was der Text des Liedes erzählt. Ich habe fünf Holzschnitte gemacht von Mohnblüten, die im Wind tanzen. Sie sind in Eichenholzstücke geschnitten. Die Blöcke sind verzogen und zum Teil gerissen, was sie uneben macht. Auch dies eine Verbindung zu den Verwerfungen, die einKrieg mit sich bringt. Ich habe die Holzblöcke von Hand abgerieben. So wird jeder Druck zu einem Individuum – wie jeder Mensch, der sein Leben im Krieg verloren hat, auch ein Individuum war.

Das Buch ist als Leporello ausgeführt, weil ich wollte, dass man den ganzen Text vor sich sehen kann, wenn das Buch vollständig aufgeschlagen ist. Gedruckt habe ich auf ein festes Büttenpapier und die einzelnen Druckbogen sind mit mohnroten Fälzen zum Leporello verbunden. Das Buch selbst ist in einer Mappe untergebracht. Diese Mappe hat einen Verschluss aus mohnrotem Satinband und Aststücken von Buchsbaum. Buchs wird oft als Einfassung für Gräber verwendet, der Strauch ist symbolisch mit dem ewigen Leben verbunden. Die Mappe ist aus einem sehr kräftigen weißen Papier gefertigt und hat einen Verschluss aus mohnrotem Satinband und zwei Buchszweigstücken. Sie hat ein Format von 41 x 40 cm. Einer der Holzschnitte ist auf die Deckelklappe abgerieben. Das Leporellobuch hat 12 Seiten, jede davon im Format 24 x 31 cm. Das ergbibt eine Länge von knapp drei Metern, wenn das Buch vollständig aufgeschlagen ist. Der Text ist auf Deutsch. Das Künstlerbuch ist 2006 erschienen in einer Auflage von 11 nummerierten und signierten Exemplaren. Die Anzahl nimmt Bezug auf das Ende des Ersten Weltkrieges am 11. November.

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