Shakespeare Sonett 89

William Shakespeare starb am 23. April 1616. Bis dahin hatte er, neben all seinenTheaterstücken, 154 Sonette geschrieben. Im Jahr 2016, also 400 Jahre nach seinem Tod, hat das Centre for the Study of the Book an der Bodleian Library in Oxford (UK) Druckkünstler weltweit dazu aufgerufen, die 154 Sonette neu zu drucken.

Ich schätze mich glücklich, dass ich bei diesem Projekt mitwirken durfte. Mir wurde das Sonett 89 zu teil; hier ist der Wortlaut:

Say that thou didst forsake me for some fault,
And I will comment upon that offence:
Speak of my lameness, and I straight will halt,
Against thy reasons making no defence.
Thou canst not, love, disgrace me half so ill,
To set a form upon desired change,
As I’ll myself disgrace; knowing thy will,
I will acquaintance strangle, and look strange;
Be absent from thy walks; and in my tongue
Thy sweet beloved name no more shall dwell,
Lest I, too much profane, should do it wrong,
And haply of our old acquaintance tell.

For thee, against myself I’ll vow debate, For I must ne’er love whom thou dost hate.    

Vor etlichen Jahren ist mir ein Buch in die Hände gefallen, das 1909 in Berlin veröffentlich worden war. Der Titel ist:  „Shakespeare Sonnette: Umdichtungen von Stefan George“. George, selbst ein großer Dichter, hat die Sonette nicht einfach übersetzt, er hat sie neu geschrieben auf Deutsch, quasi nachempfunden. Und so liest sich seine Version von Sonett 89:

Sag, du verliessest mich um einen fehl,
Und ich entschuldige dich für diesen schlag.
Sag, ich sei lahm, so hink ich auf befehl
Da ich mit deinem grund nicht rechten mag.

Du, Lieb, verstössest mich nicht halb so schlimm
Um dem erwünschten wechsel form zu leihn
Als ich mich selbst verstosse .. du bestimm!
So töt ich freundschaft; schau als fremder drein ..

Bin fern von deinen wegen .. nie mehr sei
Dein süss geliebter nam auf meinem mund
Dass ich Unheilliger ihn nicht entweih ..
Und etwa künde unsren alten bund.

Dich schützend stoss ich nach der eignen brust;
Ich darf nicht lieben den du hassen musst.

Als Liebhaber der englischen Sprache habe ich mich dafür entschieden, den Text auf Englisch zu drucken.

Am 29. Februar 2016 habe ich mich auf den langen Weg nach Süden gemacht. Nach ungefähr sechs Stunden habe ich die Tür aufgeschlossen an meinem Atelier. Im Nachmittagslicht, das von den Fenstern her einfiel, konnte ich Spinnweben sehen, die zart und duftig von der Decke hingen. Ich war seit Weihnachten nicht mehr hier gewesen. Ich habe mich schon darauf gefreut, den Duft der Druckfarbe zu riechen in ein paar Tagen. Dieses Mal würde ich für drei Wochen bleiben zum Arbeiten.  

Die Entscheidung für eine Schrift kann schwierig sein. Ich hatte den Eindruck, dieses Sonett drückt so etwas aus wie einen Streit, fast schon eine Gerichtsverhandlung. Der Text klang für mich wie die letzten Worte eines Angeklagten, ein Schuldeingeständnis in allen Punkten. Ein Prozessbei Gericht ist etwas sehr Sachliches, Nüchternes. Das Gegenteil von romantisch. Keine Geschichte, Der reine Stand der Dinge. Reine Information. Nur Fakten. Damit blieb nur eine Schrift: Futura. Ich holte den kästen 20 p Futura schmalmager. Nach etwas Abwägen habe ich mich entschlossen, nur Kleinbuchstaben zu verwenden. Im Text nimmt sich der Sprecher vollkommen zurück, bis seine eigenen Bedürfnisse, seine Vorstellung praktisch verschwinden. Oder besser: bis sie vollständig der geliebten Person zu Diensten sind. Hier gibt es keine Berechtigung für ein großgeschriebenes „Ich“. Der einzige Großbuchstabe ist der allererste Buchstabe des Sonetts, gedruckt von einem Linolschnitt. Der Text ist gedruckt in Blau, der färbe für Wahrheit und Treue. Der Linolschnitt ist in einem Rotton gedruckt, der an die Liebe erinnern soll, die beide Personen immer noch verbindet. Gedruckt wurde auf BFK Rives Büttenpapier, 250 g/qm, vollständig aus Baumwolle gefertigt. Hier ist das Blatt: Ein Bekenntnis.

Die Arbeit war abgeschlossen. Ich war zufrieden. Ich fing an aufzuräumen, die Schrift abzulegen. Schrift ablegen ist etwas so vollkommen Typisches für Bleisatz.

Ablegen ist eine Arbeit, an die heute in Zeiten digitaler Arbeit niemand mehr denkt. Es ist eine ziemlich ungeliebte, öde Arbeit. Sie erscheint so unproduktiv, überflüssig, und doch muss sie mit äußerster Sorgfalt erledigt werden. Andernfalls wird man beim nächstenMal, wenn mit dem Schriftkasten gearbeitet werden soll, abgestraft, weil die Buchstaben in den falschen Fächern liegen. Schrift ablegen kann auch Nebenwirkungen haben. So war es diesmal. Meine Gedanken waren immer noch im Bann des Sonetts. Plötzlich konnte ich ein weiteres Layout sehen, mit einer anderen Schrift, ein völlig anderer Druck. Ich war wie elektrisiert. Ich holte den Kasten 16 p Baskerville aus dem Regal und dazu die Bordüre mit Blattranken. Ich fing an, das Büttenpapier auf Format zu reißen. Und hier ist es: der Klassiker in Schwarz und Grün. Das Grün steht für Hoffnung. Gedruckt auf Zerkall Rundsieb-Bütten, weiß, weich, 225 g/qm.

Ich mag beide.

Preis Euro 30,00 zzgl. Versand Bestellung & Info per email

Dieses Projekt des Centre for the Study of the Book an der Bodleian Library läuft noch bis September 2016. Mehr Informationen dazu finden sich auf Twitter: #154sonnets@theBroadPress@bodleincsb und auf der Website der Bodleian Library:

https://twitter.com/search?src=typd&q=%23154sonnets

http://blogs.bodleian.ox.ac.uk/theconveyor/?s=sonnets

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