Das Atelier im Jahr 2011

Auf der Tour in den Spreewald zur Messe in Baruth machen wir einen Abstecher nach Cottbus. Uwe baut dort an der Waldorfschule eine Schuldruckerei auf. Er hat, genau wie ich, im letzten Jahr Teile der ehemaligen Schuldruckerei an der Waldorfschule in Winterbach übernommen. Ich hatte Schriften gewählt, die in Kästen liegen, welche zu Uwes Regalen gehören. Also habe ich die Schriften umgelegt und nun bringen wir die leeren Kästen dahin, wo sie hingehören: nach Cottbus in die Schuldruckerei der Waldorfschule. Bei diesem Treffen verabreden wir, dass Uwe später im Jahr für einige Tage zu mir ins Atelier kommen wird zum Hospitieren. Er ist mir eine große Hilfe beim Ablegen der großen Stehsatzmengen der letztes Jahr abgeholten Titula. Wir arbeiten zusammen an einigen laufenden Projekten, was ihm Einblick in Handgriffe und Arbeitsweisen gibt. Er wird in der Schuldruckerei mit den Klassen jedes Jahr einen Kalender drucken. Begonnen wird das Projekt jeweils in Klasse 9 und in Klasse 11 ist der Kalender dann fertig.

Lyrikkarten, mehrfarbige Ausgabe als Spendenaktion, Gedicht von Bret Harte, Buchdruck, Handsatz von Trajanus mit Ornamenten

Marianne Midelburg in Australien und ich sind via email in Kontakt geblieben, seit wir uns 2007 begegnet waren. Wir sind beide schon seit vielen Jahren mit der Kamera unterwegs und die meisten emails kommen mit Fotos. Ich mache den völlig verrückte Vorschlag, daraus ein gemeinsames Projekt zu machen – über die Dauer eines ganzen Jahres. Ohne zu zögern sagt sie „Yes, yes, yes!“ So nimmt das Projekt seinen Anfang im Frühjahr 2011.

Lyricards, Gedicht von Thomas Hood, Buchdruck, Handsatz aus der Trajanus mit Verzierungen

Die Idee, die dem zweiten al-Mutanabbi-Street Projekt zu Grunde liegt, ist, dass Kunstschaffende weltweit einen Bestand an Büchern, Broschüren und Magazinen erschaffen, der quasi das spiegelt oder symbolisiert, was bei dem Bombenanschlag in Bagdad zerstört wurde. Ich entscheide mich, eine Reihe magazinartiger Künstlerbücher zu schaffen mit Gedichten aus vier Jahrhunderten. Dies ist der Beginn der Reihe mit dem Titel Manarah, was ein altes arabisches Wort ist und soviel heißt wie Leuchtturm oder Wegweiser, in jedem Fall etwas, das hilft, Orientierung zu finden. Die ersten drei Bände sind mein Beitrag für das Inventory-Projekt. Band 1 enthält Gedichte über den Krieg, Band 2 über die Zeit und Band 3 über die Liebe: Es braucht Liebe und Zeit um Krieg und seine Folgen zu überwinden. In den kommenden Jahren werden weitere Bände erscheinen.

Als Mitglied der britischen Fine Press Book Association (FPBA) kann ich mich im Mai einer Gruppe anschließen, die zu einer Reise durch besondere Bibliotheken in Stockholm aufbricht. Die Tour wird zu einem Erlebnis der Sorte „once in a lifetime“: beseelte Bibliothekare zeigen uns traumhafte Folianten in faszinierenden historischen Gebäuden. Wir sehen Originalausgaben von Linnée und Merian bis hin zu einem handschriftlichen Buch heiliger Inuit-Gesänge, geschrieben auf Seehundhaut, auf dem Einbandleder ist sogar noch stellenweise Seehundfell. Die knappe Woche ist voll gepackt und auch innerhalb unserer kleinen Reisegruppe ist der Austausch rege.

Historische Globen auf Schloss Skokloster bei Stockholm

Fabian Schröbel kommt ins Atelier, um hier eine Arbeit anzufertigen im Rahmen seines Studiums an der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd. Die Hochschule ist grade mal 15 Autokilometer entfernt. Seit das Atelier im Jahr 2004 nach Wäschenbeuren gezogen ist, sind schon einige Studierende hier gewesen, um Semesterarbeiten und Projekte im Kontext „Buch und Druck“ im Atelier zu bearbeiten.

Briefkarte mit dem Alphabet der Unger-Fraktur

Und noch eine Schuldruckerei wird aufgelöst. In den Beständen findet sich nicht nur erstaunlich viel Schmuck und Verzierungen, sondern auch einige größere Grade der Unger-Fraktur in zwei Schnitten, un etwas Quick sowie die wunderschöne Legende.

Lyricards, Gedicht von Walter Savage Landor, Buchdruck, Handsatz aus der Quick mit Verzierungen

Eigentlich ist für noch mehr Material gar kein Platz mehr – aber: da geht noch was – mit etwas umräumen.

Briefkarte, Handsatz aus der Legende mit Bleilettern

Während der Reise in Stockholm werde ich von den Kollegen zur Buchmesse nach Oxford eingeladen, als Besucherin. Hier lerne ich eine sehr schöne Tradition kennen: das keepsake. Wörtlich übersetzt ist das ein Souvenir, ein Andenken. Bei den Druckleuten hier ist ein keepsake so eine Art Druckprobe, eine handliche Version des eigentliches Buches mit einer kleinen Leseprobe. Gedruckt wird auf das gleiche Material und es werden die gleichen Druckformen verwendet. Das keepsake zeigt die Typographie des Textes, vielleicht auch eine der Illustrationen und gibt eine kurze Beschreibung des Buches. Wer das Werk nicht gleich auf der Messe erstehen will, der kann sich ein keepsake mitnehmen, zur Erinnerung, und später bestellen. Ab jetzt gibt es auch für meine neuen Werke so ein kleines keepsake.

 

Was sonst noch geschah:

Teilnahme an der 7. Norddeutschen Handpressenmesse in Hamburg

Teilnahme an der 21. Minipressenmesse in Mainz

Teilnahme an der Buchmesse in Glashütte (Baruth)

Teilnahme an der Druck&Buch in Erlangen

Beteiligung an der weltweiten Wanderausstellung „An Inventory of al-Mutanabbi-Street“

Als Besucherin auf dem Oxford Fine Press Book Fair, wo Victoria Hall ihre traumhaften Buntpapiere anbietet

Im Jahr 2011 werden publiziert:

„Kümmelsuppe“ – Rezept mit Kümmeltütchen, Beitrag zu Drucktopf

Manarah 1: A Divan of War, Künstlerbuch, Buchdruck, Linolätzung

Manarah 2: A Divan of Time, Künstlerbuch, Buchdruck, Holzschnitte

Manarah 3: A Divan of Love, Künstlerbuch, Buchdruck, Linolätzungen

Manarah 1-3: englische und deutsche Gedichte zu den Themen Krieg, Zeit und Liebe aus vier Jahrhunderten – dazu entsteht die Reihe der LyriCards, eine Teilauflage davon als FundRaiser/Spende für das Projekt „al-Mutanabbi Street Starts Here“

Kontakt

Norddeutsche Handpressenmesse, it heute „BuchDruckKunst – Erlesenes auf Papier in Hamburg

Mainzer Minipressenmesse

Für Druck&Buch in Erlangen prallel zum Poetenfest: Johannes Häfner

The Fine Press Book Association (FPBA)

al-mutanabbi-street

 

Handgemachtes Buntpapier von Victoria Hall (UK)

Wird fortgesetzt – nächste Folge am 11. Mai 2024

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